Auszug aus dem Praxisbeispiel: „Das gemeinsame Essen“
So nannte sich eines unserer spannendsten Projekte: „Huhn“
Wir hatten die Möglichkeit ein echtes Huhn über mehrere Tage in der Schule behalten und beobachten zu können. Dadurch wurde für einige Kinder erstmals offensichtlich, woher eigentlich die Eier kommen, die die Stadtkinder ja meist nur aus dem Supermarkt kennen. Das pure Ei an sich eröffnete uns schon viele Gespräche mit Wortschatzerweiterungen durch Worte wie Dotter, Eiweiß, Eierschale.Ausprobiert wurde, was man mit dem Ei tun kann, ohne dass es zerbricht, was im rohen Ei in der Schale steckt und wie es schmeckt.
Schließlich interessierte die Frage nach der Entwicklung in einem Hühnerei, wenn wir es nicht dem Huhn wegnehmen. Wir haben überlegt, was man aus einem Ei alles machen kann und es dann auch gleich in die Tat umgesetzt. So wurden Eier unterschiedlich lange gekocht, aufgeschnitten, betrachtet, befühlt und vor allem gegessen. Mal haben wir sie als Spiegelei gebraten, dann ausgepustet, um sie zu Rührei zu verarbeiten. Der Höhepunkt war das Herstellen von Eierpfannkuchen.
Diese Unterrichtseinheiten verliefen sehr lustbetont und die Kinder waren neugierig und interessiert an den neuen Erfahrungen.
Es scheint gerade heute in vielen Familien nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder in die Zubereitung von Mahlzeiten einbezogen werden. Vielen war die Herkunft von Lebensmitteln wie Eier oder Mehl unklar und auch die Entstehung eines Kuchens fremd, da viele Fertigprodukte im Supermarkt gekauft werden.
Gerade auch Vorklassenkinder mit Schwierigkeiten im Sozialverhalten konnten in diesen praktischen Unterrichtseinheiten positive Erfahrungen machen und sich als integrierte Partner innerhalb der Klasse erleben. Schüler mit schwachem Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten erhielten vielfältige Möglichkeiten, sich als kompetent zu empfinden. Die Geschwindigkeit und Vergleichbarkeit der einzelnen Handlungen steht nicht so im Blickpunkt wie beim zeitgleichen Bearbeiten eines Arbeitsblattes und verringert so den Druck, unter den sich der Einzelne setzt. Zu beobachten war eine Bereitschaft zu großer Anstrengung, auch bei sonst wenig motivierten Vorklassenkindern; sicher auch, weil das Produkt der geleisteten Arbeit nicht im Ordner, sondern im eigenen Bauch landete.
Wir sind sehr froh darüber, dass die Rahmenbedingungen der Vorklasse diese Formen des Lernens ermöglichen, die außerhalb von Arbeitsblättern und Karteikarten liegen. Sie erlauben ein sehr kindbezogenes, binnendifferenziertes Arbeiten. Denn das „Gemeinsame Essen“ ist nicht nur eine kurze Unterbrechung der Arbeitsphasen, sondern kann ganz individuell täglich unterschiedlich lange dauern und gewinnt damit eine andere Funktion und Qualität als 10 Minuten gemeinsame Frühstückszeit in der Klasse oder eine einmalige Unterrichtsaktion wie weihnachtliches Plätzchenbacken.